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Abschlussarbeiten aus der Public History

Unsere Masterstudierenden wählen in ihren Abschlussarbeiten oft bisher noch wenig oder sogar unerforschte Themen. Diese Grundlagenforschung verlangt meist, transdisziplinär zu arbeiten und zu denken, neue Methoden anzuwenden und so Themen einer forschenden Public History zu erschließen. Oftmals ist dies ein erster Schritt, auf dem weitere Studien aufbauen können. Damit diese Forschungsansätze mehr Sichtbarkeit erlangen, sind ausgewählte Arbeiten auf dem Kölner PublikationsServer (KUPS) zugänglich gemacht worden. Sie finden hier eine Übersicht der Arbeiten samt Abstracts, die regelmäßig ergänzt wird.

 

Soziale Medien widmen sich in unterschiedlichen Formaten vermehrt der Darstellung von Geschichte. Auch Vergangenheitssimulationen prägen das allgemeine Bild von historischen Ereignissen und greifen auf verschiedene Arten der Emotionalisierung zurück. Die vorliegende Forschung untersucht die Formen von Emotionalisierungsstrategien und ihre Umsetzung sowie die Reaktionen der User*innen in der Vergangenheitssimulation @ichbinsophiescholl auf Instagram. Dazu werden die geteilten Inhalte und Kommentare aus zwei ausgewählten Wochen des Projekts mit der Methode der Grounded Theory analysiert. Als Forschungsgrundlage dient das Konzept von Ute Frevert und Anne Schmidt zu Emotionalisierungsstrategien und das Media-Logic-Modell von José van Dijk und Thomas Poell, um Instagram als Soziales Medium zu erfassen.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Darstellung Sophie Scholls auf dem Kanal ein verzerrtes Geschichtsbild des deutschen, weißen und christlichen Widerstandes zeigt, das apologetische und geschichtsrevisionistische Narrative nährt und Minderheiten exkludiert. Zudem wird Sophie Scholl als Repräsentantin der "bürgerlichen Mitte" instrumentalisiert und als Erinnerungsort angepasst. Zu Gunsten der Emotionalisierung und Nahbarkeit wird die historische Person Sophie Scholl in der Geschichtssimulation stark fiktionalisiert und anschlussfähig für Vereinnahmungen. Die bewusst emotionalisierende Geschichtsdarstellung spricht ein breites Publikum an, welches die Fiktionalisierungen größtenteils nicht einordnen kann und durch die Emotionalisierungen auf unterschiedlichen Ebenen überfordert wird. Die Grundlagenforschung identifiziert außerdem den medienspezifischen Anwendungskontext als Katalysator für die Wirkung von Emotionalisierungsstrategien und zeigt den entscheidenden Effekt einer emotionalisierenden Vergangenheitssimulation auf die gesellschaftliche Wahrnehmung des deutschen Widerstands auf.

 

Fotografie ist für die Geschichtswissenschaft ein bedeutendes und vielfach untersuchtes Medium. Vor allem im Bereich der individuellen Erinnerung bzw. des kollektiven Gedächtnisses bietet die Fotografie zahlreiche private und gesellschaftliche Anknüpfungspunkte. Zeithistorische Museennutzen u.A. aus diesem Grund Fotografie, um Besucher*innen vergangene Momente visuell zu vermitteln. Die Art und Weise, wie Museen mit Fotografie umgehen, wurde jedoch bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht. Vielfach wurden inhaltliche und thematische Analysen erstellt, allerdings ohne überzeugende Methoden zur Einordnung innerhalb des Museums im Sinne der Public History.

Die Untersuchung beschäftigt sich daher grundlegend mit dem Umgang von zeithistorischen Museen mit Fotografie in Dauerausstellungen und arbeitet dafür Kriterien heraus, um vorab erstellte Thesen zu überprüfen. Nach einem empirischen Blick auf die Geschichte der Fotografie in Museen und dem heutigen Einsatz werden in einem Theoretical Sampling bisherige methodische Ansätze von Museums- und Ausstellungsanalysen aufgezeigt. Darauf aufbauend werden im Stil der Grounded Theory mit transdiziplinären Ansätzen die Analysekriterien Sammlung, Raum, intendierte Wirkung und Vermittlung in Anlehnung an Jana Scholzes Ausstelllungssemiotik näher beleuchtet, um mit verschiedenen Werkzeugen der Public History eine methodische Theorie zu erstellen.

Anschließend wird diese Methodik an einem Praxisbeispiel angewendet. Dies erfolgte im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn mit Hilfe von qualitativen Interviews mit Museumsmitarbeiter*innen, um auch die interne Perspektive zu berücksichtigen. In Verbindung mit den vorab erstellten Werkzeugen wird verdeutlicht, dass das erstellte Spektrum an Ansatzpunkten und die daraus resultierende Methodik eine Vielzahl an Möglichkeiten eröffnet, um Fotografie auch neben einer klassischen geschichtswissenschaftlichen Analyse in zeithistorischen Museen einordnen zu können.
 

Während der Militärdiktatur in Argentinien von 1976-1983 entstanden um die Ermordeten und „Verschwundenen“ zwei konträre Diskurse, die bis heute historische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit der staatlichen Gewaltherrschaft prägen: Die Figur des „Subversiven“ innerhalb der argentinischen Gesellschaft wird bis heute insbesondere von konservativen und militärnahen Gruppierungen zur Relativierung der Militärherrschaft genutzt. Die Figur des „Verschwundenen“ entstammt den Organisationen der Angehörigen der „Verschwundenen“ – beispielsweise den Madres de Plaza de Mayo – und basiert unter anderem auf der symbolisch-ritualisierten Forderungen nach der lebendigen Wiederkehr ihrer Angehörigen.

Die postdiktatorischen Diskurse heben sich von (west-)europäisch geprägter Erinnerungskultur insbesondere über das Selbstverständnis und die Zusammensetzung der zivilgesellschaftlichen Gruppierungen ab, die sich selbst als Trägerinnen der Erinnerung verstehen. Aktivist:innen, die selbst nicht unmittelbare Angehörige von „Verschwundenen“ sind, identifizieren sich mit den Opfern der Militärdiktatur und konstruieren eine Kontinuität mit ihnen. Diese Prozesse ermöglichen die Transition kollektiver Erinnerungen durch politischen Aktionismus.

Insbesondere partizipative Wandbilder haben dabei das Potenzial die kollektive Reinterpretation von Täterorten anzustoßen. Ein weiteres untersuchtes Medium sind Baldosas por la Memoria, die dem europäischen Projekt der Stolpersteine ähneln. Ihre Verlegungszeremonien scheinen einer ritualisierten Abfolge zu folgen, die Beerdigungszeremonien ähneln und den Teilnehmenden – in Abweichung von den Diskursen des immer-währenden Kampfes - die Möglichkeit des erinnernden Abschlusses und der Versöhnung bieten.

Die vorliegende Arbeit bietet dabei einen Einblick in eine politisierte, affiliativ-geprägte Erinnerungskultur und erweitert das Verständnis der Erinnerungen an die Militärdiktatur in Argentinien.

 

Seit der Jahrtausendwende häufen sich Versuche, Musik – und hier im Speziellen elektronische
Musik – ins Museum zu bringen. Es scheint, als würde Musik – und hier vor allem der Unterhaltungsmusik – als zentrales Thema und nicht als unterhaltende Beigabe museumsreif. Doch stellen sich mit der Überführung eines originär auditiven Mediums („Musik“) in eine klassisch visuelle Darstellungsform („Ausstellung“) ganz neue Herausforderungen.

Dies war der Anlass, in dieser Arbeit zu fragen, wie es Museen als traditionellen Institutionen des Zeigens und des Präsentierens materieller Objekte gelingen kann, immaterielle Phänomene zu musealisieren.

Diese Arbeit betrachtet anhand dreier Beispielausstellungen in Frankfurt, München und Düsseldorf, welche Mittel und Wege Museen und Kuratierende nutzen, um vergangene Musik kulturhistorisch-museal zu präsentieren.

Sie wird dabei kanonisierende Narrationstechniken (Definition, Personen und Orte von Musik), Materialisierungen (Objekte) und Präsentations- bzw. Gestaltungsweisen der Ausstellungen untersuchen. Schlussendlich wird festzuhalten sein, dass es die Antworten auf diese Fragen – und damit kuratorische Entscheidungen – sind, die das Erscheinungsbild der Ausstellung prägen und nicht in erster Linie die Immaterialität der Musik.

Diese Arbeit macht drei narrative Zugriffe aus, um Musik für das Museum handhabbar zu machen: Musik als Kunst, Musik als Kultur und Musik als Erleben. Diese Zugriffe haben Auswirkung auf die Erzähl- und Gestaltungsweise der Ausstellungen sowie auf die Objektauswahl und den Objekteinsatz. Schlussendlich wird die These aufgestellt, dass die Besinnung auf die klassische museale Kernkompetenz – das originale Objekt – das entscheidende Distinktionsmerkmal des Museums beim Umgang mit immateriellen Themen sein kann.

 

Instagram ist mit über einer Milliarde Nutzer*innen weltweit kein Nischenprodukt mehr, sondern eine der wichtigsten Social-Media-Plattformen, die der täglichen Kommunikation, der Vernetzung mit Gleichgesinnten, dem Eskapismus und der Aneignung von Wissen dient. Auch die Vermittlung von Geschichte findet hier statt. Wer jedoch auf der Plattform erfolgreich publizieren, das heißt, die maximale Aufmerksamkeit erlangen will, muss sich an die spezifischen Regeln von Instagram halten: Eine emotionale und ästhetische Bildsprache sowie eine besonders niederschwellige und leicht konsumierbare Vermittlung von Inhalten. Diese plattformspezifischen Eigenarten beeinflussen jedoch das schlussendlich auf Instagram publizierte Produkt stark. Im Falle der Geschichtspräsentation auf der Social-Media- Plattform bedeutet dies, dass Geschichte nicht nur vermittelt, sondern immer auch neu geschaffen wird.

Geschichte erscheint in der emotionalen und trivialen Bildsprache auf Instagram, die einen erklärenden Text nur als kurz gehaltenes Beiwerk kennt, als eine logische Verkettung von linear verlaufenden, abgeschlossenen Ereignissen, die einfach konsumierbar und unterhaltend erscheinen. Geschichte als methodisch arbeitende wissenschaftliche Disziplin sowie als multiperspektivischer Prozess, kann kaum sichtbar werden, sodass oftmals eine deutliche Banalisierung von Geschichte erfolgt. Geschichts-Instagramkanäle wurden bisher kaum im geschichtswissenschaftlichen Kontext untersucht.

Daher wählt diese Arbeit einen methodisch neuen Zugang und greift auf die von Martina Schuegraf und Anna Janssen entwickelte Webformat-Analyse zurück, deren Fragebogen für Instagram angepasst wurde und somit die Basis für die Untersuchung von Geschichts-Instagramkanälen bildet. Mit der Webformat- Analyse kann das auf Instagram entstehende Geschichtsbild, dessen Narration und Anspruch an Wissenschaftlichkeit betrachtet werden. Außerdem verbindet die Analyse geschichtswissenschaftliche sowie medienwissenschaftliche Konzepte, sodass bei einem Geschichts-Instagramkanal sowohl das Social-Media-Format als äußerer Rahmen als auch die inhaltliche Beschäftigung mit Geschichte berücksichtigt werden können.

 

In Bezug auf Podcasts sorgte die COVID-19-Pandemie für einen starken Aufschwung, der auch an der Museumslandschaft nicht vorbeiging. Im Rahmen der Arbeit findet eine Beschreibung und Analyse des Phänomens Museums-Podcasts im Raum der BRD statt. Dabei werden der Ist-Zustand der Nutzung des Mediums durch deutsche Museen, deren damit zusammenhängenden Ziele sowie mögliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Als Forschungsgrundlage dient ein Sample aus 161 Podcasts, das mithilfe quantitativer Datenerfassung sowie einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht wird. Ergebnis ist unter anderem eine Typologie von Museums-Podcasts. Um die inhaltlichen und stilistischen Nutzungsmöglichkeiten des Mediums für Museen zu veranschaulichen, erfolgt mit Rückgriff auf die Webformat-Analyse weiterhin die Untersuchung drei exemplarischer Podcasts.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich Museums-Podcasts vor allem durch einzelne Leuchtturm-Projekte sowie durch den Schub der Pandemie als kleine Nische in der Podcast-Welt etabliert haben und die Großzahl des Samples ein eher kleines Publikum erreicht. Inhaltlicher Schwerpunkt vieler Museums-Podcasts sind die museumseigenen Ausstellungen und Sammlungen, sehr häufig ist außerdem das Prinzip der Expert*innen-Interviews. An dem Versprechen, exklusive Inhalte bereitzustellen, spannende Geschichten zu erzählen und immersive Hörerlebnisse zu schaffen, lässt sich eine Verknüpfung der Wissensvermittlung mit unterhaltenden Elementen als vorherrschender Trend ablesen. Mithilfe partizipativer und diversitätssensibler Herangehensweisen sowie der Verwendung von Gegenwarts- und Zukunftsbezügen zielen die Museen häufig auf die Gewährleistung einer niedrigschwelligen Rezeption der Inhalte für breite Zielgruppen.

Die hier erfolgte Grundlagenforschung stellt eine erste Momentaufnahme des Feldes dar und kann als Anknüpfungspunkt für zukünftige Untersuchungen des Mediums im musealen Bereich dienen.
 

Die Masterarbeit widmet sich den Ausstellungs- und Vermittlungsmethoden in zeitgeschichtlichen Berliner Museen über Kriege des 20. Jahrhunderts. Im Fokus der Analyse stehen das AlliiertenMuseum Berlin, das Museum Berlin-Karlshorst und das Anti-Kriegs-Museum Berlin. Als Untersuchungsgegenstände dienen ihre Dauerausstellungen, welche hinsichtlich ihrer Exponate, Emotionalisierungsstrategien und Narrative analysiert werden. Die Problematik der musealen Darstellbarkeit von Krieg entspricht dem Kern dieser Arbeit.

In den vorangehenden Theoriekapiteln wird zunächst der Definitionsfrage nachgegangen und die daraus resultierende Problematik im Umgang mit den Begriffen „Krieg“ und „Frieden“ beleuchtet. Nachfolgend werden für das behandelte Themenfeld prägende öffentliche Erinnerungsdiskurse näher beleuchtet. Auch die theoretische Methode der Ausstellungsanalyse, die der Grounded Theory und der der auto-ethnographischen Feldforschung sowie die qualitative Interviewführung werden in diesem Teil der Arbeit vorgestellt.
Der erste Analyseteil widmet sich vergangener und gegenwärtiger Ausstellungspraxis zu Kriegen des 20. Jahrhunderts. Neben deutschen Museen wird auch ein komparativer Blick in das europäische und vereinzelt in das angloamerikanische Ausland geworfen. Diese Betrachtung zeigt auf, inwiefern bestimmte Traditionslinien der Legitimierung dienen – insbesondere hinsichtlich immersiver Strategien der Ausstellungsgestaltung.
Der zweite Analyseteil umfasst eine zielgerichtete Untersuchung des Forschungsgegenstands und die Vorstellung der drei Berliner Museen sowie ihrer Dauerausstellungen. Absicht der vorliegenden Arbeit ist es, unter Berücksichtigung der theoretischen Konzepte ein umfassendes Abbild gegenwärtiger museologischer Praxis zu eruieren. In der Schlussbetrachtung wird ein möglicher avantgardistischer Ansatz kuratorischen Ausstellens mit einer kriegskritischen Intention skizziert.